15 Gerüchte rund ums Passivhaus – und die Wahrheit

1. „Im Passivhaus darf man die Fenster nicht öffnen“

Falsch! Und auch das weit verbreitete Gerücht, dass man im Passivhaus die Fenster gar nicht öffnen kann, ist absoluter Quatsch. Natürlich kann und darf man die Fenster öffnen – wenn man das möchte. Aber wann öffnet man in einem konventionellen Haus ein Fenster? Wenn man das Bedürfnis hat, verbrauchte gegen frische Luft auszutauschen. Und dieses Bedürfnis gibt es im Passivhaus nicht mehr: Die kontrollierte Wohnraumlüftung sorgt für die richtige Menge Frischluft, rund um die Uhr. Wer allerdings ein Fenster öffnen möchte, zum Beispiel um Vogelgezwitscher zu hören, darf dies jederzeit tun, ohne die Energiebilanz nennenswert zu verschlechtern. Wird im Winter ein Fenster oder die Haustüre kurzzeitig geöffnet, liegt der zusätzliche Aufwand, die einströmende kalte Luft zu erwärmen, im nicht messbaren Bereich. Im Sommer kann eine längere Fensterlüftung auch im Passivhaus sinnvoll sein: Nachts oder am frühen Morgen sorgt eine große Menge einströmender kühler Luft dafür, dass die in Böden, Wänden oder Möbeln gespeicherte Wärme „entleert“ wird.

2. „Luftdichte Häuser sind ungesund“

Luftdichte Häuser, die nicht „atmen“ können, sind ungesund, das ist richtig: Feuchte, CO2-haltige Luft kann nicht abtransportiert werden, sorgt für ungesundes Wohnklima und führt im schlimmsten Fall zu Schimmelbefall. Das kann Ihnen im Passivhaus jedoch niemals passieren, denn hier wird grundsätzlich eine Lüftungsanlage eingebaut, die ganz automatisch und rund um die Uhr verbrauchte, feuchte Luft nach außen und frische Luft nach innen leitet. Durch die Wärmerückgewinnung geschieht das fast ohne Wärmeverluste. Bei älteren Gebäuden, die „atmen“ und die verbrauchte Luft durch Ritzen und Fugen an Wänden, Dach und Fenstern nach außen abgeben, verschwindet mit der feucht-warmen Luft auch sehr viel Wärmeenergie. Das ist zwar nicht ungesund, aber ärgerlich und teuer. Tatsächlich ungesund sind hingegen Neubauten, die nach den gesetzlichen Mindeststandards gebaut werden und laut Energieeinsparverordnung (EnEV) „dauerhaft luftdicht“ ausgeführt sein müssen: Wer hier nur auf Fensterlüftung setzt, hat bald ein Problem. In der Luft sammelt sich Feuchtigkeit, verbrauchte Atemluft, Rauch, Schadstoffe, die aus Möbeln und Teppichen ausdünsten, Kochgerüche, Klebstoffdämpfe usw. Wer das alles mit Fensterlüftung entfernen möchte, müsste in der Theorie alle zwei bis drei Stunden die gesamte Luft im Haus austauschen. Vorausgesetzt, man hat die Möglichkeit, tatsächlich so häufig zu lüften, dann hat man immer noch das Problem, alle zwei bis drei Stunden frische, aber kalte Luft auf Wohlfühltemperatur erwärmen zu müssen. Und wer nicht alle zwei bis drei Stunden lüftet, lebt tatsächlich ungesund.

3. „In einem Haus ohne Heizung friert man doch“

Dass ein Passivhaus keine Heizung hat, stimmt nicht. In jedem Passivhaus gibt es die Möglichkeit, die Luft mit Hilfe ausgefeilter Technik auf mindestens 20 °C zu erwärmen. Erzeugt wird die Wärme zum Beispiel von Wärmepumpen, Pelletöfen oder Gasthermen. Im Haus verteilt wird sie über eine Flächenheizung (im Fußboden oder in der Wand), über Heizkörper oder über die Lüftungsanlage. Tatsache ist, dass die Heizung nur wenig zum Einsatz kommt, denn zum geringen Wärmeverlust kommt hinzu, dass die Wärme von Sonneneinstrahlung, Herd, Backofen, Fön, Toaster, Duschwasser oder von Kerzen im Passivhaus wirklich eine Rolle spielt. Auch jeder Bewohner oder Besucher zählt: Eine erwachsene Person hat durch ihre Körperwärme eine „Heizleistung“ von etwa 80 Watt, die sich zum Beispiel nach dem Genuss von ein oder zwei Gläsern Wein auf 90-100 Watt erhöht. Dass im Passivhaus niemand frieren muss, hat noch einen weiteren Grund: Die gefühlte Temperatur in einem Raum setzt sich zusammen aus Lufttemperatur und Oberflächentemperatur. Dünne, schlecht gedämmte Wände und konventionelle Fenster strahlen bei niedrigen Außentemperaturen Kälte ab und sorgen bei den Bewohnern oft für ein Frösteln, obwohl die Luft eigentlich warm genug ist. Im Passivhaus hingegen strahlen Wände und Fenster keine Kälte ab. Somit herrscht ein sehr angenehmes, gleichmäßiges Wohnklima, bei dem die Lufttemperatur sogar ein oder zwei Grad niedriger sein kann, ohne dass die gefühlte Temperatur sich ändert.

4. „Im Passivhaus zieht es wegen der Lüftung“

Nein, die kontrollierte Wohnraumlüftung führt nicht zu Zugerscheinungen. Bei korrekt eingestellter Luftwechselrate und einwandfrei funktionierender Technik ist der Luftstrom allerhöchstens direkt am Lüftungsventil in der Wand oder der Decke spürbar. Bei der Alternative zur Lüftungsanlage geht es hingegen richtig zugig zu: Wer korrekt lüftet und alle zwei bis drei Stunden die Fenster öffnet, wird zu Recht über Zugerscheinungen klagen.

5. „Die Lüftungsanlage im Passivhaus ist unhygienisch“

Eine Lüftungsanlage darf auf keinen Fall mit einer Klimaanlage verwechselt werden. Das dort vorhandene Problem, dass Kondenswasser in den Leitungen zu Verkeimung führen kann, gibt es bei der kontrollierten Wohnraumlüftung nicht: Hier bleiben sämtliche Leitungen grundsätzlich trocken. Die einzige Verunreinigung, die im Lauf der Zeit auftreten kann, ist die Ablagerung von Staub. Da die Außenluft jedoch mehrfach gefiltert wird, bevor sie ins Haus gelangt, ist das Staubaufkommen in den Zuluftkanälen nicht besonders hoch. Etwas mehr Staub lagert sich im Lauf der Zeit in den Abluftkanälen ab, in denen die Raumluft Richtung Wärmetauscher geführt wird. Um das Gerät zu schützen, werden auch hier wieder Filter eingesetzt. Darüber hinaus sind die Lüftungsanlagen so konstruiert, dass sie bei Bedarf mithilfe spezieller Rohrreinigungssysteme von den Staubablagerungen befreit werden können.

6. „Die Lüftungsanlage sorgt für mehr Staub“

Nein, tut sie nicht. Im Gegenteil: Bei einer kontrollierten Wohnraumlüftung wird die einströmende Frischluft gefiltert, wodurch Schwebestäube, Rußpartikel, Pollen und verschiedene Schadstoffe gar nicht erst ins Haus gelangen – übrigens ein großer Vorteil für Allergiker. Dadurch ist die Luft im Haus sauberer als bei einer Lüftung mittels Fensteröffnung und enthält weniger Staubpartikel. Vorhanden ist also nur „interner“ Staub, der vor allem durch Textilabrieb entsteht und nur von den Bewohnern und deren Gewohnheiten abhängig ist und nicht von der Bauweise. Auch eine Verwirbelung des Staubs durch die Lüftungsanlage ist bei einer korrekt eingestellten kontrollierten Wohnraumlüftung nicht zu befürchten – bei Fensterlüftung hingegen schon.

7. „Im Passivhaus herrscht trockene Luft“

In den Wintermonaten besteht tatsächlich die Gefahr, dass die relative Luftfeuchtigkeit im Passivhaus unter 30 % r. F. sinkt. Aber wenn das passiert, sinkt sie auch in jedem anderen Haus. Das liegt daran, dass durchs Lüften, egal ob mit Lüftungsanlage oder durch Fensterlüftung, kalte Winterluft ins Haus geholt wird. Kalte Luft kann viel weniger Feuchtigkeit aufnehmen als warme Luft. Wird die feuchtigkeitsarme kalte Luft nun im Haus erwärmt, sinkt die relative Luftfeuchte ab, das heißt, der vorhandene Feuchtigkeitsanteil ist in der Relation zu der Feuchtigkeitsmenge, die die warme Luft theoretisch aufnehmen könnte, sehr gering. Das Problem hat also eigentlich nichts mit der Lüftungsanlage und dem Passivhaus an sich zu tun. Im konventionell gebauten Haus begegnet man dem Problem, indem man Wasserverdunster an die Heizkörper hängt und nicht mehr so oft lüftet – was zu ganz anderen Problemen führen kann. Im Passivhaus hingegen kann man das Problem mildern, indem man die Luftwechselrate auf das hygienisch notwendige Maß beschränkt, was in jedem perfekt ausgeführten Passivhaus möglich ist. Technisch wäre darüber hinaus auch der Einsatz von Luftbefeuchtern oder von Feuchterückgewinnungsgeräten möglich.

8. „Im Schlafzimmer ist es zu warm“

Wer nicht gern in einem geheizten Zimmer schläft, sondern nachts frische Luft braucht, ist im Passivhaus bestens aufgehoben: Die Lüftungsanlage sorgt rund um die Uhr für Frischluftzufuhr. Lausig kalt wird es im Passivhaus-Schlafzimmer dabei allerdings nicht, das ist richtig. Aber wer will das schon? Bewohner konventioneller Häuser nehmen die Kälte notgedrungen in Kauf, weil ihnen im Winter die Frischluftzufuhr durch das dauerhaft gekippte Fenster wichtiger ist als eine angenehme Raumtemperatur. Und schon ist man beim Irrglauben, dass frische Luft gleichbedeutend ist mit kalter Luft. Weit gefehlt: Auch an Tagen mit 20 °C Außentemperatur empfinden wir die Luft als frisch. So etwa kann man sich die frische Luft im Passivhaus das ganze Jahr über vorstellen. Fazit: Frisch ist die Luft im Passivhaus-Schlafzimmer immer, aber eiskalt ist sie nie.

9. „Im Passivhaus kann man ersticken“

Ein Passivhaus wird sehr dicht gebaut, um Wärmeverluste zu verhindern. Sauerstoffmangel braucht aber niemand zu befürchten: Die Frischluftzufuhr erfolgt rund um die Uhr über eine kontrollierte Wohnraumlüftung, wobei die einströmende Außenluft über einen Wärmetauscher die Wärme der Abluft übernimmt. Dieses System ist sehr ausgeklügelt und verfügt über einen Kontrollmechanismus, der die Menge von Abluft und Zuluft ständig ausbalanciert. Sollte die Anlage einmal ausfallen, zum Beispiel bei einem Stromausfall, wird die Luft aber trotzdem nicht knapp. Beispiel: Ein Einfamilienhaus mit 140 m2 Wohnfläche verfügt über etwa 350 m3 Luft. Die würde für vier schlafende Personen mehr als eine Woche ausreichen, wenn in dieser Zeit wirklich kein einziges Mal ein Fenster oder eine Tür geöffnet und der Stromausfall nicht bemerkt würde. Und selbst dann ist der Sauerstoff nicht aufgebraucht, sondern nur reduziert.

10. „Passivhäuser müssen Holzhäuser sein“

Falsch: Sowohl bei Holzkonstruktionen als auch bei massiven Bauweisen ist es möglich, die für ein Passivhaus wichtigen Kriterien wie Luftdichtheit und maximaler Heizwärmebedarf von 15 kWh/ m2a zu erfüllen. Fakt ist, dass in Deutschland bei Passivhäusern der Anteil an Bauten mit Holzkonstruktion überwiegt, wohingegen bei „normalen“ Häusern immer noch fast 80 % massiv gebaut werden. Eine Erklärung wäre, dass viele Passivhaus-Bauherren, denen der ökologische Aspekt sehr wichtig ist, das natürlichere und umweltfreundlichere Material Holz wählen. Letztendlich kann aber jeder frei entscheiden, ob er die Wände aus Holz oder Stein bauen lässt, ob er mit künstlichen oder natürlichen Stoffen dämmt, ob er die Fassade verputzt oder mit Holz verschalt.

11. „Passivhäuser sind Ökohäuser“

Egal, ob der Begriff „Ökohaus“ im positiven oder im negativen Sinn verwendet wird: Ein Passivhaus ist nicht automatisch ein Ökohaus. Es erfüllt einen sehr wichtigen Aspekt: Es begrenzt den Heizenergieverbrauch auf ein Minimum, was sowohl dem Klimaschutz als auch dem Geldbeutel zugute kommt. Weitere Kriterien eines Ökohauses können beim Bau eines Passivhauses erfüllt werden, müssen aber nicht, denn sie gehören nicht zum Passivhausstandard. Trotzdem legen natürlich viele Bauherren auch Wert auf Punkte wie Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, Minimierung versiegelter Flächen, Nutzung von Sonnenenergie für Warmwasser oder Stromerzeugung etc. Letztendlich steht es jedem Passivhaus-Bauherren frei, wie nah er einem tatsächlichen „Ökohaus“ kommen möchte.

12. „Passivhäuser sind teurer“

Teurer zu welchem Zeitpunkt oder in welchem Zeitraum? Nach einer aktuellen Studie des Passivhaus-Kompendiums kostet ein Passivhaus im Vergleich zu einem Haus, das nach dem gesetzlichen Mindeststandard (Energieeinsparverordnung EnEV) gebaut wurde, derzeit etwa 9 % mehr. Ganz anders sieht die Rechnung jedoch nach einigen Jahren aus: Etliche Studien haben nachgewiesen, dass die Mehr-Investitionskosten spätestens nach 20 Jahren durch die eingesparten Energiekosten wettgemacht werden.

13. „Im Passivhaus kann man keinen Ofen einbauen“

Einen klassischen Kaminofen aus dem Baumarkt kann man im Passivhaus nicht einbauen, das ist richtig. Zum einen wäre das Ofenrohr durch die Durchdringung der Außenwand eine unnötige Wärmebrücke, zum anderen würde es für einen unerwünschten Wärmeabzug sorgen. Hinzu kommt, dass ein Kaminofen mit seiner Heizleistung von etwa 6-8 kW viel zu viel Wärme produziert: Das extrem gut gedämmte und dichte Passivhaus wäre nach kurzer Zeit total überhitzt. Wer trotzdem nicht auf den Anblick gemütlich flackernden Feuers verzichten möchte, kann sich einen Ethanolofen anschaffen: Hier wird Bioalkohol schadstofffrei und ohne Rauchentwicklung verbrannt. Die Heizleistung liegt bei etwa 1-3 kW und damit so niedrig, dass es im Passivhauswohnzimmer nicht zu warm wird. Dennoch macht sich die zusätzliche Wärme an kalten Winterabenden tatsächlich bemerkbar. Für alle, die unbedingt ein knisterndes Holzfeuer im Haus haben wollen, gibt es speziell konstruierte Öfen. Sie arbeiten raumluftunabhängig, und die überflüssige Heizleistung wird zum Beispiel für die Erwärmung des Warmwasserspeichers oder von Heizkörpern verwendet.

14. „Dachfenster sind im Passivhaus tabu“

Nein, sind sie nicht. Tatsache ist jedoch, dass bisher noch kein Dachfenster auf dem Markt ist, das den für Passivhäuser geforderten UW-Wert von ≤ 0,8 W/m2K erreicht. Das liegt zum einen an der Neigung: Schräge Fenster haben einen um 25-30 % höheren Wärmedurchgang als senkrechte Fenster. Außerdem sind der Rahmenkonstruktion aus Stabilitätsgründen Grenzen gesetzt, und beim Einbau ist viel Know-how erforderlich, um die notwendige Luftdichtigkeit und Wärmedämmung zu erreichen. Trotzdem kann ein Dachfenster ohne schlechtes Gewissen eingebaut werden, optimalerweise in Ost- oder Westausrichtung: Durch die Schräglage sorgt es für höhere solare Gewinne als ein senkrechtes Fenster und macht damit seine konstruktionsbedingten Energieverluste zum Großteil wieder wett.

15. „Passivhäuser haben eine eintönige Architektur“

Richtig ist, dass Passivhäuser am effektivsten sind, wenn das Gebäude kompakt ist, also die Außenfläche im Verhältnis zum Volumen möglichst klein ist. Logisch, denn damit vermindert sich die Fläche, über die Wärme verloren gehen kann. Richtig ist auch, dass ein seriöser Passivhaus-Planer von Erkern, Gaupen oder überflüssigen Winkeln eher abraten wird. Übrig bleibt aber kein langweiliger Einheitsstil, sondern immer noch genügend Freiraum für individuelle, zeitgemäße Architektur. Zahlreiche Passivhäuser, die in den vergangenen Jahren verwirklicht wurden, belegen diese Vielfalt eindrücklich.